Flucht und
Vertreibung.
Millionen von Deutschen verloren während der letzten Monate des zweiten
Weltkrieges und in den Jahren danach ihre Heimat im Osten. Sie flüchteten
unter lebensgefährlichen Umständen vor der Roten Armee oder wurden auf
Anordnung Siegermächte deportiert. Andere wurden Opfer von willkürlichen
Vertreibungen in von der deutschen Besatzung befreiten
Gebieten. Zahllose Menschen
kamen ums Leben. Spiegel -Redakteure und namhafte Historiker zeichnen unter
Verwendung authentischen Zeugnisse und seltenen Bildmaterials ein
bedrückendes Bild der Massenvertreibungen, die im gesamten östlichen
Mitteleuropa50 Millionen Menschen entwurzelten und der leidvolle Auswirkung
bis in unsere Tage reichen. Über 14 Millionen Ostpreußen, Pommern,
oder Schlesiern, wurden zwischen 1944 und 1947 aus ihrer Heimat fortgejagt
und von denen Hunderttausende, vielleicht zwei Millionen dabei umkamen. Die
russische Marine hatte den von den Nasis gebauten Touristendampfer ,,Wilhelm
Gustloff ,,in den letzten Kriegsmonaten mit nahezu 10 000
Flüchtlingen
und Soldaten an Bord in der Ostsee versenkt.
1,4 Millionen
schätzen Historikerinnen die
Zahl der Frauen,
die damals vergewaltigt worden
sind. Viele von ihnen nahmen
sich danach aus Eckel und
Entsetzen das Leben. Im Januar 1945 drang der
Krieg in
Oberschlesien ein. Viele Bewohner der Städte und Dörfer wichen vor den
kämpfenden Truppen ins Hinterland, in den Westen aus. Verließen mit den letzten
Eisenbahnzügen das Land, treckten zu Fuß, mit dem Flüchtlingsgepäck auf dem
Rücken, in der Hand, auf dem Rodelschlitten, im Kinderwagen, im Handwägelchen.
Die Bauern spannten Pferde oder Kühe vor einen Kastenwagen. In langen Kolonnen
bewegte sich der Zug durch das Land, in eine Ungewisse Zukunft, oftmals in den
schreckensvollen Tod. Fast alle meinten, nur für die Zeit der Kämpfe den
Heimatort verlassen zu haben. Wer zurückblieb oder zurückbleiben musste (darunter
nicht wenige ältere Menschen), vertraute auf die Schonung des Eroberers. Manche
der Alten konnten sich auch nicht für kurze Zeit von der Heimat trennen, manche
wollten den Ihrigen das Haus, den Hof, die Wohnung 1 als Heimstatt bewahren. Sie
glaubten an die Menschenrechte, die in früheren Kriegen nicht völlig außer Kraft
gesetzt worden waren. Grauenhaft war ihre Verlassenheit, in den menschenleeren
Gehöften, in den stillen Straßen, dann unter der fremden Besatzung, den
russischen Soldaten, der polnischen Miliz. Sehr viele Oberschlesier ertrugen
als Christen die Schrecken und Leiden der Flucht im Winter, die Qualen des
Hungers/des Lebens in zerstörten Gebäuden/in Arbeitslagern/die Misshandlungen
und Vergewaltigungen/die Entwürdigung des Menschen/zuletzt die Austreibung in
unversorg- ten Güterwagentransporten. Sie nahmen ihr Schicksal hin als
unerklärbare Fügung Gottes/ in der Hoffnung auf Seine Barmherzigkeit und
Gerechtigkeit. Dos Leid spricht heute aus Dokumenten Sammlungen. Einzelne
Schilderungen finden wir auch in den Büchern „Vermächtnis der Lebenden"/ „Ober-
schlesische Passion" (Viktor R. Paschenda), „Meinen Tod will ich selber sterben"
(Paul Habraschka), auch in dem Leobschützer Heimatbuch (Herausgeber Josef Klink,
1950), in dem die Zerstörung einer wohlgeordneten, schönen, von vielen
Generationen aufgebauten und geliebten Welt besonders eindringlich überliefert
wird. |