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Viel haben macht nicht reich.  Der ist ein reicher Mann, der alles was er hat, ohne Leid verlieren kann.

          Bedeutende Schlesier

Wer immer fröhlich ist auf Erden wird 99 Jahre werden und wer durchs Leben geht mit Schwung der ist mit 100 Jahr'n noch jung.

      

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Matthäus, Gottfried, Purmann    

* 1648 in Lüben,

      † 1711 in Breslau.

Stadtarzt von Breslau

   
 

Matthäus Gottfried Purmann verdankt seinen Platz in der Geschichte der Medizin nicht der Bearbeitung neuer Operationsmethoden, sondern der Fortbildung, Vervollkommnung und Beschreibung der zur Zeit üblichen Operationsverfahren. Er unternahm mit Erfolg schwierige Operationen wie Kaiserschnitte, Trepanationen, Tracheotomien und Resektionen von Aneurysmen. Bei seiner chirurgischen Tätigkeit konnte er auf außergewöhnlichen Anatomiekenntnissen aufbauen und die Gefahr von Komplikationen merklich verringern. Von Purmann an datiert die Entwicklung der Chirurgie in Deutschland. Weiteren Fortschritt brachte der Arzt und Anatom Lorenz Heister (1683–1758). Heisters Lehrbuch der Chirurgie wurde in alle europäische Sprachen übersetzt. Lange Jahre bildete dieses Buch das Hauptwerk bei der Ausbildung in dieser medizinischen Disziplin.

Seine Beobachtungen und Erfahrungen publizierte Purmann in den Spalten medizinischer Schriften und in Lehrbüchern der Chirurgie. Seine Publikationen erreichten etliche Auflagen und wurden noch nach seinem Tode gedruckt, bis sie von Lorenz Heisters Lehrbüchern verdrängt wurden. Purmanns Schriften sind jetzt eine Seltenheit und nur in wenigen Büchersammlungen zu finden. Theodor Billroth (1829–1894), der sich besonders mit der Chirurgie des Magen-Darm-Traktes befaßte, klagte, daß er sie für sich nicht beschaffen könne.

Purmann führte Transfusionen des Lammblutes bei Menschen durch. Die erste Transfusion hatte Jean Denis, Leibchirurgus Ludwigs XIV., im Jahre 1667 unternommen und diesen Eingriff noch ein paar Mal wiederholt. Dabei war es jedoch zu Todesfällen gekommen, so daß das Pariser Parlament dieses Verfahren unter die Strafe körperlicher Züchtigung stellen mußte. Weitere Transfusionen trafen in ganz Europa auf Spott, Hohn, Vorwürfe und Beschuldigungen seitens der Geistlichkeit und der Ärzte. Purmann war der Meinung, daß die “Chirurgia transfusoria” keine Aufnahme in der Militär-Medizin fände, obwohl er selbst Transfusionen nach vorhergehendem Aderlaß durchführte.

Matthäus Gottfried Purmann wurde in die Familie Michaels, des damaligen Stadtschreibers, nachher fürstlichen Hofrichters (1662–1667) und Bürgermeisters von Lüben, geboren. Der Großvater von Matthäus, Georg Purmann, war Bürgermeister in Neumarkt bei Breslau. Der Vater des künftigen Chirurgen hatte an der Universität zu Wittenberg studiert. Im Gegensatz zum Vater unternahm Matthäus keine Studien, er besaß jedoch ein tiefes Allgemeinwissen, beherrschte die lateinische Sprache gut, und das ermöglichte ihm das Studieren medizinischer Literatur. 1664 wurde er Lehrling bei dem erfahrenen Wundarzt Paul Rempelt in Groß Glogau und 1667 Geselle bei Balthasar Kauffmann in Frankfurt am Main, dem Alchemisten und Chirurgen. Mit diesem ging er nach Küstrin, wo Kauffmann Garnisonschirurg wurde. Im Jahre 1670 trat Matthäus Purmann in den Dienst des brandenburgischen Heeres als Kompanie-Feldscher ein (Regiment des Grafen Christoph von Dohna). Mit der Kurbrandenburgischen Armee nahm er am Holländischen Kriege (1672–1679) im Elsaß und in Westfalen gegen die Franzosen sowie an den Kämpfen gegen die Schweden in Pommern teil. 1675 wurde er zum Regimentsfeldscher ernannt.

Sorgfältig schrieb Purmann seine Erfahrungen über die Versorgung der Schußwunden nieder, woraus im Jahre 1680 in Halberstadt ein Aufsatz unter dem Titel Der rechte und wahrhaftige Feldscher entstand. Von der Wichtigkeit und dem praktischen Wert dieser Publikation zeugen ihre vier Übersetzungen in fremde Sprachen. Im Jahre 1687 wurde diese Arbeit von Johann Heudorn in Minden als Nachdruck unter dem Titel: Der vollkommene und wohlerfahrene Wundarzt herausgegeben, angeblich aus dem Holländischen in das Deutsche übersetzt (ohne Angabe des Verfassers).

Nach vielen Bemühungen wurde Purmann 1679 aus dem Militärdienst entlassen. Er ging nach Halberstadt, wo er am 8. Januar 1679 Dorothea Meier heiratete. In Halberstadt baute er sich eine Existenz als Barbier und Wundarzt auf. Bald erlangte er bei den Bürgern des kleinen Städtchens Anerkennung. Während der Pestepidemie im Jahre 1681, welche allein in Halberstadt über 2000 Bürger dahinraffte, wurde er von der kurbrandenburgischen Regierung für die Epidemiezeit als Ober-Pest-Chirurgus ernannt. Dieses Amt bekleidete er bis zum nächsten Jahr. Beinahe wurde er selbst Opfer der Seuche. Seine Erfahrungen schrieb er in zwei Ausarbeitungen nieder: Pestanweisung, Halberstadt 1682 und Der aufrichtige und erfahrene Pest-Barbier, Halberstadt 1683. Nach seinem Wirken als Pestbarbier gab er den früher beendeten Aufsatz Chirurgischer Lorbeer Krantz oder Wund-Artzney in drei Theil und 86 Capittel abgetheilet, Halberstadt 1684, heraus. Purmann mußte schon zu dieser Zeit enge Kontakte mit Breslau haben, denn diese Publikation widmete er dem Breslauer Stadtrat. Im Frühjahr 1685 kaufte er in Breslau die Werkstatt des verstorbenen Wundarztes Raphael Nürnberger und zog mit Weib und Kindern aus dem verpesteten und menschenleeren Halberstadt nach Breslau um. Der Rat der Stadt Breslau würdigte seine Erfahrung, Gewandtheit und sein Können und betraute ihn 1686 mit der Stelle des Garnisonchirurgs. Nach dem Tode Samuel Raspers, des ersten Chirurgs, Barbiers und Stadtphysikus’, wurde ihm vom Stadtrate dessen Amt übertragen. Diese Tatsache war unbestreitbar eine Auszeichnung für den Wundarzt Purmann, der erst unlängst in die Stadt Breslau, die damals 28000 Einwohner zählte, zugezogen war, wo schon neun Wundärzte, fünf Ärzte, zahlreiche Zahnärzte, Barbiere und viele Heiler, die Leistenbrüche, Katarakte, Nieren- und Gallensteine behandelten, ansässig waren. Als Wundarzt der Stadt war er auch zur Betreuung der Kranken im Allerheiligen-Hospital, das seit 1526 bestand, verpflichtet.

Daneben stand Purmanns publizistische Arbeit. 1687 publizierte er seinen Aufsatz Fünf und zwanzig Sonder- und wunderbare Schusswunden Curen (Breslau 1678), den er 1693 um fünfzig Curen erweiterte und von neuem herausgab. Diese Publikation erlebte im Jahre 1721 eine Neuauflage. Den aufrichtigen und erfahrenen Pest-Barbier verbesserte und erweiterte er ebenfalls und gab ihn 1690 heraus. Das große Interesse, das diese Arbeit erregte, machte im Jahre 1721 eine sechste Auflage notwendig. Nacheinander erschienen: Chirurgischer Lorbeer Krantz oder Wund-Artzney in drei Theil und 127 Capittel abgetheilet, Frankfurt 1692, Ausführlicher Unterricht und Anweisung wie die Salivation-Kur Nach allen Umständen und Vortheilen aufs beste und sicherste vorzunehmen, Liegnitz 1692. Die zweite Auflage des zuletzt genannten Werkes erschien 1728. Reiche Erfahrungen, die Purmann im Breslauer Krankenhaus gemacht hatte, veranlaßten ihn zur Herausgabe noch einer wertvollen Arbeit aus dem Bereich der Chirurgie: Chirurgia curiosa, Liegnitz 1694. Ein Jahr vor seinem Tode erschien die Schrift Curiosen chirurgischer Observationes, Liegnitz 1710. Aus allen seinen Publikationen kann man die Gewandtheit und Kunstfertigkeit des Chirurgen ersehen.

Matthäus Gottfried Purmann starb nach 26 Jahren im Sanitätsdienst der Stadt Breslau. Er hinterließ zwei Töchter und einen Sohn. Der Sohn Gottfried studierte Medizin. Matthäus Gottfried Purmanns Erfolge lagen vor allem auf dem Gebiete der Wundchirurgie. Seine Versuche mit Transfusionen des Lämmerblutes bei Menschen gingen fehl. In der Kriegszeit versuchte er, ausgebluteten Soldaten das Blut der Tiere zu transfunsieren. Aber die Fehlschläge überzeugten ihn endgültig davon, daß der deutsche Arzt Michael Ettmüller (1644–1683) recht hatte mit der Feststellung (1682), daß “jede Transfusion für das Leben wegen spezifischer Unterschiede zwischen dem Blute der Tiere und dem der Menschen gefährlich ist”.

Lit.: A.W.E.T. Henschel: Jatrologiae Silesiae specimen primum exhibens brevissimam medicorum Silesiae recentiorum eorumque celebriorum adiectus est prodromus, Wratislaviae 1847 (Appendix, Catalogus mediocorum Silesiorum recentiorum eorumque prodromus. Sec. XVII–XVIII), S. 48. – H. Frölich: Matthias Gottfried Purmann, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 26, 1888, S. 354. – J. Graetzer: Lebensbilder hervorragender schlesischer Aerzte aus den letzten vier Jahrhunderten, Breslau 1889, S. 62–64. – H. Goerke: Matthaeus Gottfried Purmann (1649–1711) und die erste Bluttransfusion in Deutschland, in: Dtsch. Med., J. 2, 1951, S. 134–138. – B. Seyda: Dzieje medycyny w zarysie [Geschichte der Medizin im Überblick], Warschau 1973, S. 299, 300. – M. Sachs: Die Entdeckung der intravenösen- und Infusionstherapie durch Johann Sigismund Elsholtz (1623–1688), in: Zentralbl. Chir., Nr. 116, 1991, S. 1425–1432. – Ders., Matthäus Gottfried Purmann (1649–1711). Ein schlesischer Chirurg auf dem Weg von der mittelalterlichen Volksmedizin zur neuzeitlichen Chirurgie, in: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, Bd. 12, S. 37–64. – M.T. Breitenecker: Matthäus Gottfried Purmann, in: Illustrierte Geschichte der Medizin, Bd. IX, 1984, S. 3416. – A.S. Lyons, R.J. Petrucelli: Ilustrowana historia medycyny. Przeklad zj. angielskiego M. Stopa. Oprac. naukowe wyd. polskiego M. Lyskanowski [Illustrierte Geschichte der Medizin], Warschau 1996, S. 456.

                                                                                                                        Włodzimierz Kaczorowski

 
 

Quelle; "Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen"