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Zu der großen
Zahl von Künstlern, die mit
Ausstellungs- und Malverboten
belegt wurden, ins Ausland oder
in die innere Emigration gingen,
gehört auch der am 18. März 1885
in Breslau geborene Walter
Eberhard Loch, weithin unter
seinem Siegel WEL bekannt. Von
seiner Kindheit an körperlich
behindert – er war in Königsberg
auf dem Eis des Pregels
eingebrochen – absolvierte Loch
nach dem Schulbesuch zunächst
eine Buchhandelslehre, folgte
dann aber seinem schon in früher
Jugend gefaßten Vorsatz, Maler
zu werden und bezog im
Oktober 1901 die Akademie für
Kunst und Kunstgewerbe in
Breslau. Unter dem rastlosen
Engagement zweier so
unterschiedlicher Männer wie dem
in der historisch-religiösen
Tradition der Düsseldorfer
Akademie verhafteten Eduard
Kämpffer und dem 1899 nach
Breslau berufenen genialen
Architekten Hans Poelzig begann
die Akademie in jenen Jahren
eine Anziehungskraft zu
entfalten, die bis zu ihrer
Schließung im Jahre 1932
andauern sollte.
In dieser von konservativen
ebenso wie von revolutionären
Tendenzen geprägten Atmosphäre
studierte Loch als
Meisterschüler bei Poelzig,
Fryderyk Pautsch, Hans Rossmann,
Karl Hanusch sowie dem von
Poelzig nach Breslau engagierten
Bildhauer Ignatius Taschner,
dessen frische künstlerische
Kraft WEL nachhaltig
beeindruckte. In diesen Jahren
fand er den Zugang zum Kreis um
Carl Hauptmann, Däubler, Wegener
und Anton Schnack. Mehrere
Studienreisen führten ihn nach
Frankreich, Spanien und
Süddeutschland; unvergeßlich
wurde ihm ein längerer
Aufenthalt in Prag, das er als
Stadt des Golems nachhaltig
empfand. 1913 zog es ihn wie so
viele Schlesier nach Berlin,
hier arbeitete er zunächst als
Grafiker und Sportzeichner für
das „Berliner Tageblatt“, „Ulk“
und mehrere andere
Zeitschriften. Von einem 1914
bewilligten Italien-Stipendium
konnte er bei Ausbruch des
Ersten Weltkrieges keinen
Gebrauch mehr machen. Die
Kriegszeit verbrachte Loch als
Zeichenlehrer am
Doppel-Gymnasium in Liegnitz,
gleichzeitig wurde er auch zum
Malunterricht ap der Breslauer
Akademie herangezogen. In dem
pazifistisch orientierten Kreis
um Carl Hauptmann, Erich Worbs
und Will Erich Peuckert entstand
in jenen Jahren die von Loch
gestaltete Kunstzeitschrift „Der
Berg“.
Eine rege künstlerische
Verbindung im Dreieck
Berlin-Breslau-Dresden
befruchtete das Schaffen von WEL
maßgebend. Nachdem er durch die
Heimat mit Dore Roth in den
musikalischen Kreis des Dresdner
Pianisten Bertrand Roth Eingang
gefunden hatte, öffneten sich
ihm weitere Tore künstlerischen
Schaffens: als Mitglied der
Dresdner Kunstgenossenschaft und
Lehrer an der
Buchdrucker-Innungsschule fand
er seine bis in die letzten
Lebensjahre ausstrahlende
künstlerische Heimat im Kreis um
die Tänzerin Mary Wigmann. Der
Ausdruckstanz stand nun im
Mittelpunkt hervorragender
grafischer Arbeiten, in denen
sich die ganze „innere
Musikalität und in Form gesetzte
Bewegungsfreude“ des Künstlers
zeigte. WEL beteiligte sich an
internationalen Ausstellungen in
Basel, Paris und Berlin,
gleichzeitig war er als
Mitarbeiter bei namhaften
Kulturzeitschriften (Reclams
Universum, Greifen-Kalender,
Ostdeutsche Monatshefte) tätig.
Tief beeindruckt hatte den
Künstler, der sich selbst als
ein Wanderer zwischen der Welt
des Sinnlichen und der ihn immer
wieder verlockenden Welt alles
Übersinnlichen verstand, Will
Erich Peuckerts Iser-Roman
„Apokalypse 1618“. Eugen
Diederichs brachte das Werk nach
dem Ende des Ersten Weltkrieges
mit Linolschnitten Lochs heraus.
Vor allem seine handkolorierten
Schnitte wurden in ihrer
kräftigen Zeichnung und einer
reichen ausdrucksvollen
Kolorierung von der Kritik in
jenen Jahren als Zeugnisse einer
starken Begabung gewertet.
Aufsehen erregten seine
Illustrationen zu Rilkes Weise
von Liebe und Tod sowie eine
Folge von Schnitten zu Ibsens
„Peer Gynt“.
Angesichts seiner künstlerischen
und politischen Auffassungen
fühlte sich WEL in den
Veränderungen der Dresdner
Kulturszene zu Beginn der
dreißiger Jahre zunehmend
unwohl. 1932 zog sich das
Ehepaar in die ländliche
Abgeschiedenheit des Bodensees
zurück. Im Hause Hermann Hesses
in Gaienhofen fand man
vorübergehend Unterkunft, bei
Kriegsausbruch 1939 konnte das
Paar im eigenen kleinen Haus an
der Tobelhalde in Neufrach eine
endgültige Künstlerheimat
beziehen. In der Ruhe und
Ausgeglichenheit der
Bodensee-Landschaft entfaltete
WEL eine umfangreiche
künstlerische Tätigkeit. Eine
Fülle von Aquarellen,
Zeichnungen, Schnitten und
Ölgemälden mit weitgespannter
Thematik entstand, mehrere
Reisen ins Tessin inspirierten
ihn zu Landschaftsdarstellungen,
die vor allem aufgrund ihrer
zeichnerischen Qualitäten
zunehmend Freunde fanden.
Daneben trat immer wieder das
Engagement für den Pazifismus
hervor; von den Künstlern nach
1945 verlangte Loch, daß sie
sich mit dem nach seiner
Auffassung dringendsten Thema
der Zeit „Nie wieder Krieg“
auseinandersetzten. In seinem
eigenen Werk, aber auch in einer
Vielzahl von öffentlichen
Stellungnahmen, hat er sich für
dieses Ziel engagiert und für
eine Kunst plädiert, „die der
durchlebten Zeit und ihren
Folgen Rechnung trägt“.
In den fünfziger Jahren wandte
sich Loch in zunehmendem Maße
auch der Schriftstellerei zu. Er
zählte zu den gern gesehenen
Mitarbeitern der Ostdeutschen
Monatshefte, veröffentlichte
Erzählungen in schlesischer
Mundart, 1953 kam als erstes
badisches Dorfbuch eine von ihm
verfaßte Dorfchronik seiner
Wahlheimat Neufrach mit eigenen
Illustrationen heraus. Einen
Stoff aus diesem Lebenskreis
verarbeitete er in dem „Spiel
vom verbrannten Dorf“ (1961),
das als Hörspiel im Süddeutschen
Rundfunk mehrfach gesendet
wurde. Bei seinem Tode 1979
hinterließ Walter Eberhard Loch
ein viele Jahrzehnte
umspannendes Werk, das es in
kaum vergleichbarer Weise
erlaubt, den von erstaunlicher
Stetigkeit geprägten Werdegang
eines schlesischen Künstlers vor
dem Hintergrund geradezu
umwälzender kultureller und
politischer Entwicklungen zu
verfolgen.
Lit.:
Rainer Zimmermann: Die Kunst der
verschollenen Generation.
Deutsche Malerei des Expressiven
Realismus von 1925-1975.
Düsseldorf-Wien 1980. Der
Künstler Walter Eberhard Loch.
In: Schles. Rundschau 7 (1955)
Nr. 20/21, S. 7. Christian
Seile: W. E. Loch 70Jahre. In:
Der Schleaer 1955, Nr. 14, S.
76. Erich Worbs: Walter Eberhard
Loch. In: Ostdt. Monh. 11
(1930), S. 51-58. Ders.: Der
unverwüstliche Maler, Erlebnisse
mit Walter Eberhard Loch. In:
Ostdt. Monh. 24 (1958), D
667-674. Ders.: Walter Eberhard
Loch, ein schlesischer Maler.
In: Der Schlesier. Hauskalender
1960, S. 40-44.
Werner Bein |
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