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Der Komponist
Friedrich Metzler
gehörte
zu den Stillen im Lande. Seine zurückhaltende, bescheidene Art war mit
ein Grund dafür, daß seine Werke nur selten über seinen künstlerischen
Wirkungsort Berlin hinaus bekannt wurden.
Dabei weist ihn sein
Werkverzeichnis als einen schöpferischen Musiker von hochartifiziellem
Können und von bemerkenswerter Eigenart aus, als einen Komponisten aus
Berufung. Obwohl er sich mit den musikalischen Zeitströmungen intensiv
auseinandergesetzt hat, paßte er sich ihnen niemals an, sondern
entwickelte einen aus der Klassik und Romantik herkommenden Eigenstil,
in dem die Elemente der Musik unseres Jahrhunderts durchaus ihren Platz
haben.
Die Studienzeit in Berlin und seine dortige Tätigkeit als
Kirchenmusiker vermittelten ihm in der Begegnung mit Werken von
Hindemith, Bartok, Strawinsky, Honegger und Schostakowitsch Anregungen,
deren Einfluß in seinem Kompositionsstil spürbar sind. Den Schwerpunkt
seines Schaffens sieht Metzler selbst in dem sinfonischen und
kammermusikalischen Schaffen. „Das mehrsätzige, vielschichtige Geschehen
zur Einheit zu zwingen, ist für mich ein immer wieder erregendes und
fesselndes Unternehmen“, sagt er in seiner Selbstdarstellung. Diese
schließt er unter Bezugnahme auf ein Wort des Bildhauers Gerhard Marcks
mit dem Satz: Wichtig erscheint einzig, daß jedes Werk ... seinen vollen
Sinn „in seiner Intensität, im Formenausdruck“ erfüllt. Bei den
zahlreichen Komponisten schlesischer Herkunft bedeutet eine so
eindeutige Bevorzugung der großen sinfonischen Form eine ganz seltene
Ausnahme. Bei der in dieser Landschaft vorherrschenden Affinität zum
Vokalen hebt sich Metzlers Herkunft vom Instrumentalen überhaupt und die
damit verbundene Neigung zur Konstruktivität vom charakteristischen Bild
schlesischen Musizierens ab. Dennoch ist unter den lebenslangen
Einflüssen seiner Kompositionslehrer in Berlin der Anteil vokaler Werke
im Gesamtschaffen erstaunlich gewichtig. Es reicht vom Liedsatz,
besonders auch vom zahlreich vertretenen Klavierlied, bis zum Oratorium.
Wenn sich hier also
keine charakteristischen Wesenszüge für eine Bindung an die
Stammesheimat auf weisen lassen, so bei anderen Merkmalen um so
leichter. Einige mögen für mehr stehen. Es sei auf das Grüblerische,
Sinnierende hingewiesen, das als Grundzug eine große Zahl seiner
Kompositionen mehr oder weniger stark durchzieht. Metzlers Hang zum
Philosophischen gehört dazu, und das gegründet auf einer ausgeprägten
Religiosität. Diese Grundhaltung wird nicht nur in seinen für die
Liturgie bestimmten Kompositionen deutlich, die im übrigen zahlenmäßig
relativ gering sind, sondern noch auffälliger bei der großen Anzahl von
Vokalwerken mit religiöser Thematik und weiter bis in die reine
Instrumentalmusik hinein, die sehr häufig vom evangelischen Choral
ausgeht.
Diese
religiös-philosophische Grundhaltung kennzeichnete auch das Bild des
Menschen Metzler. Angelegt war sie durch Erbe, Familie und die eigene
geistige und künstlerische Entwicklung mit ihren Einflüssen von der
Jugend-Singbewegung und seinen Lehrern an Schule und Hochschule.
Friedrich Metzler
wurde im Jahre 1910 in Kanth b. Breslau als Sohn eines evangelischen
Pastors geboren, verlebte aber ab dem 2. Lebensjahr Kindheit und Jugend
in Frankenstein in Schlesien, wo sein Vater, ein gewandter Musiker, bis
zu seinem Tod als Pfarrer amtierte. Die Atmosphäre des Elternhauses
prägte Friedrich Metzler in ihrer weltoffenen, gediegenen Frömmigkeit
und durch den Geist der humanistisch-klassischen Bildung. Nach dem
Abitur in der Heimatstadt folgten drei Jahre lang Studien in Theologie,
Philosophie und Musikwissenschaft an den Universitäten Tübingen, Marburg
und Berlin. Es folgte das Schul- und Kirchenmusikstudium an der Staatl.
Akademie für Schul- und Kirchenmusik in Charlottenburg. Während seiner
Tätigkeit als Organist von 1935 bis 1949 in Berlin-Heiligensee und
darauf an der Bethlehemkirche in Potsdam-Babelsberg erwarb er sich den
Abschluß als Diplomkirchenmusiker und trieb Kompositionsstudien bei J.H.
Wetzel, Hans Chemin-Petit und endlich als Meisterschüler von Max Trapp
an der Preußischen Akademie der Künste. Ab 1942 lehrte er zugleich am
ehem. Sternschen Konservatorium, dem späteren Städt. Konservatorium,
Klavier, Theorie und Gehörbildung, war zwischenzeitlich (1943-1945)
kommissarisch mit der Leitung des Magdeburger Domchores betraut und
wirkte von 1949-1951 als Hauskomponist an der Freien Volksbühne Berlin
im „Theater am Kurfürstendamm“. 1967 erfolgte die Berufung an die
Staatl. Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Berlin, wo er ab
1969 eine Professur für Komposition und Tonsatz wahrnahm. Am 25. Mai
1979 starb er nach kurzer Krankheit an den Folgen einer Herzoperation.
Er hinterließ 6
Sinfonien, eine Anzahl von Orchesterwerken und vielfältige Kammermusik
einschließlich Werken für Orgel und Klavier. Aus der umfangreichen
Chorerfahrung mit seiner leistungsfähigen Kantorei in Potsdam und mit
dem Domchor in Magdeburg erwuchsen Chorzyklen größeren Umfanges und so
vielfältige Anregungen, daß die Vokalkomposition einen größeren Anteil
im Werkschaffen einnimmt, als man dies aus seinem Bekenntnis zur
Instrumentalmusik erwarten dürfte, und dieses Erbe ist für die Nachwelt
von nicht geringerem Wert als seine instrumentalen Kompositionen. Im
Vordergrund steht dabei der geistliche Text. Für beide Gattungen seiner
Kompositionen aber galt der Satz, der in einer Gedenkrede nach seinem
Ableben gesprochen wurde. „Wie sich Gott, Welt und Mensch in seinem
Innern spiegeln, das findet in seinen Tönen Ausdruck und ist in die
Dialoge und Monologe seiner musikalischen Schöpfungen eingegangen.“
Diese Grundlage seines Schaffens bewirkt, daß diese Musik heute noch
lebendig weiterwirkt. Sie ist nicht vom Zeitgeist geprägt, sondern in
ihrer Substanz zeitlos.
Lit.:
G. Pankalla/G. Speer, Zeitgenössische schlesische Komponisten, Bd. II
„Friedrich Metzler“, Selbstdarstellung; Dülmen 1979. – Gerhard Pankalla,
Nachruf auf Friedrich Metzler, in Zschr. Schlesien, 1979/Heft IV, Verlag
Nürnberger Presse. – Oskar Söhngen, Gedenkrede für Fr. Metzler am
28.6.1979. – Heinrich Simbriger, Werkkatalog zeitgenössischer
Komponisten aus den deutschen Ostgebieten, 1955 u. Erg. Bde. – F.J.
Ewens, Lexikon des deutschen Chorwesens, Mönchengladbach 1954. – Riemann
Musik Lexikon, Mainz 1975. – H. J. Moser: Musiklexikon, Sikorski 19554
u. and. Lexika.
Gotthard Speer |
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