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Herbert Schlenger
hat viel zur Erforschung der
historischen deutschen Ostgebiete, Ostmitteleuropas und Osteuropas sowie
zur Förderung diesbezüglicher Arbeiten beigetragen.
Obwohl als Geograph
promoviert (1930) und habilitiert (1938) und als Ordinarius dieses Fachs
tätig, ist Herbert Schlenger auch als Historiker Anerkennung zuteil
geworden, nicht zuletzt mit der Übertragung des Vorsitzes der
Historischen Kommission für Schlesien (1951-1968). Seine Heimat
Schlesien war stets räumlicher Mittelpunkt seiner Forschungen. Sein
Aufenthalt in sowjetischer Kriegsgefangenschaft (1945-1949) regte ihn
jedoch auch zu Arbeiten über die Sowjetunion an, wie sein Wirken am J.G.
Herder-Institut in Marburg/Lahn ihn mit ganz Ostmitteleuropa vertraut
gemacht und die Lehrtätigkeit in Graz ihm den Blick für
südosteuropäische Probleme geöffnet hat.
Herbert
Schlenger wurde am 10. April 1904 in Neumittenwalde im
niederschlesischen Kreis Groß Wartenberg nahe der deutsch-polnischen
Grenze geboren. Nach dem Abitur studierte er in Breslau Geographie,
Mathematik, Physik, Philosophie und Geschichte. Mit dem von Max
Friederichsen vergebenen Dissertationsthema „Formen ländlicher
Siedlungen in Schlesien" wandte er sich der Kulturgeographie zu; der
Historiker Hermann Aubin, der im rheinischen Bonn die
Kulturraumforschung mitbegründet hatte, zog ihn vollends in den
Bannkreis historisch-landeskundlicher Arbeit. Schlenger wurde
„wissenschaftlicher Hilfsarbeiter" und Assistent der Historischen
Kommission für Schlesien (1930-1932,1934-1938), Assistent am Seminar für
Geschichtliche Landeskunde (1938) und schließlich Leiter des
neubegründeten Amtes für schlesische Landeskunde in Breslau (1940); 1944
erfolgte seine Ernennung zum außerplanmäßigen Professor der Universität
Breslau. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft nahm der
Heimatvertriebene 1950 in Marburg seine wissenschaftliche Tätigkeit
wieder auf: als stellvertretender Direktor beteiligte er sich maßgeblich
am Aufbau des vom J.G. Herder-Forschungsrat unter der Leitung von
Hermann Aubin getragenen J.G. Herder-Instituts zur Erforschung
Ostmitteleuropas. Zwei Einrichtungen, die Herbert Schlenger dabei (mit)begründet
hat, ist er bis zu seinem Tode treu geblieben: der Zeitschrift für
Ostforschung und den Nachwuchstagungen des Herder-Instituts. Der seit
1952 erscheinenden Zeitschrift für Ostforschung diente er als
Mitherausgeber und zugleich als Schriftleiter. Seit dem Frühjahr 1952
hielt er im Herder-Institut zweimal jährlich Nachwuchstagungen ab:
Studierende verschiedener Fachrichtungen, die sich mit Themen
Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas befaßten, wurden hier zusammengeführt
und angeregt, in diesem Forschungsbereich weiterzuarbeiten. Niemand war
besser geeignet als Herbert Schlenger, diese interdisziplinären Tagungen
zu leiten und die jungen Forscher zu motivieren. Als nach seinem Tod
diese Veranstaltungen eingingen, traten ehemalige Tagungsteilnehmer, die
inzwischen in Forschung und Lehre tätig waren, eingedenk der fruchtbaren
Wirkung dieser Tagungen für deren Wiederbelebung ein, die 1986 gelang.
Nach einer Gastprofessur in Köln (1952/53) wurde Herbert Schlenger 1954
an die Universität Graz und 1957 nach Kiel berufen. In Kiel entwickelte
er eine rege Tätigkeit, er wurde Dekan und Rektor der
Christian-Albrechts-Universität. Der Umgang mit jungen Menschen und
deren Förderung lagen ihm am meisten am Herzen; um so betroffener
machten ihn die Studentenunruhen seines letzten Lebensjahres.
Das
wissenschaftliche Werk Herbert Schlengers umfaßt zahlreiche
Einzelveröffentlichungen, Aufsätze, Berichte und Rezensionen. Einen
wichtigen Schwerpunkt bildeten seine siedlungsgeschichtlichen und
historisch-kartographischen Arbeiten, insbesondere
zum schlesischen
Raum. Er bearbeitete die erste Lieferung des Geschichtlichen Atlas
von Schlesien, die „Friderizianische Siedlungen rechts der Oder bis
1800" darstellte (1933, Nachdruck 1985). Für den Oberschlesien-Atlas
von Walter Geisler (1938) sowie für die von Hermann Aubin herausgegebene
Geschichte Schlesiens (Bd. l, 1938) lieferte er Karten zur
historischen Entwicklung von Schlesien. Nach dem Krieg war er zusammen
mit Theodor Kraus, Emil Meynen und Hans Mortensen Herausgeber des
großen Atlas östliches Mitteleuropa (1959), für den er auch
(zusammen mit Hugo Weczerka) historisch-politische Karten bearbeitet
hat. Sein Name wird mit der Landeskunde Schlesiens stets verbunden
bleiben.
Lit.:
Kulturraumprobleme aus Ostmitteleuropa und Asien, hrsg. von Gerhard
Sandner. Herbert Schienger anläßlich seines 60. Geburtstages in
Dankbarkeit gewidmet von seinen Freunden, Schülern und Mitarbeitern (=
Schriften des Geographischen Instituts der Universität Kiel, Bd. XXIII),
Kiel 1964 (darin Schriftenverzeichnis S. 15-22). - Ludwig Petry: Herbert
Schlenger, in: Zeitschrift für Ostforschung 18 (1969), S. 1-14 (mit
Schriftenverzeichnis Juni 1964-Dezember 1968 S. 14). - Hugo Weczerka:
Prof. Dr. Herbert Schlenger +, in: Mitteilungen der
Südosteuropa-Gesellschaft 9 (1969), Nr. 1/2, S. 26-28. - Karl Schodrok:
Universitätsprofessor Dr. phil. Herbert Schlenger zum Gedenken, in:
Schlesischer Kulturspiegel 4 (1969), Folge l - 3, S. 1-2. - Ernst Birke:
Nachruf auf Herbert Schlenger, in: Berichte zur Deutschen Landeskunde,
Bd. 44 (1970), S. 207-220 (mit Schriftenverzeichnis und Bildnis).
Hugo Weczerka |
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